Der Knackpunkt liegt nicht darin, welche Informationen der Auftraggeber im Rahmen einer vorherigen Markterkundung mit den interessierten Unternehmen austauscht. Vielmehr zählt, wie die aus der Markterkundung gewonnen Erkenntnisse im Rahmen der späteren Ausschreibung verwertet werden. Im Hinblick auf die geforderte Transparenz werden Auftraggeber zunehmend in die Pflicht genommen.
Eine selektive Offenlegung, der aus Auftraggebersicht relevanten Ergebnisse der Markterkundung durch Verwertung in den Ausschreibungsunterlagen, ist laut einer jüngst ergangenen Entscheidung (VwGH 1.3.2022, Ra 2019/04/0139) unzureichend. Der VwGH verlangt die „Offenlegung der die Durchführung des Vergabeverfahrens beeinflussenden Informationsflüsse“. Für die teilnehmenden Unternehmen muss nachvollziehbar sein, „welche aus den Markterkundungsgesprächen gewonnenen Informationen Einfluss auf die Ausschreibung genommen haben und aus welcher Quelle diese Informationen stammten.“
Sachverhalt
Der Auftraggeber führte zur Vorbereitung der Vergabe von Sicherheitsdienstleistungen in diversen Krankenanstalten eine vorherige, europaweit veröffentlichte, Markterkundung durch. Im Zuge der Markterkundung wurden mit ausgesuchten Unternehmen Marktsondierungsgespräche geführt und dabei die Entwürfe der Ausschreibungsunterlagen offengelegt und gemeinsam diskutiert. Die Anmerkungen der Unternehmen wurden zu Protokoll genommen und flossen in die Ausschreibungsunterlagen ein.
Gegen das offene Verfahren wurde ein Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung eingebracht. Dazu führte das interessierte Unternehmen aus, dass die an den Sondierungsgesprächen beteiligten Unternehmen durch die umfangreiche Offenlegung der Unterlagen einen Wettbewerbsvorteil erhalten hätten. Die Unternehmen hätten bereits vorab Kenntnis von den Eignungs- und Zuschlagskriterien erlangt. Dadurch hätten sie im Vorfeld die Gelegenheit erhalten, sich mit Zertifizierungen, eventuellen Anpassungen der Haftpflichtversicherung und der Erstellung des Konzepts befassen zu können.
Die Entscheidung des VwGH
Der VwGH bestätigte die Entscheidung des VwG Wien und führte dazu zusammengefasst aus:
- Die unterlassene Offenlegung des im Rahmen der Markterkundung erfolgten Informationsaustausches (konkret der Protokolle der Markterkundungsgespräche), stellt einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 24 BVergG dar.
- Eine Offenlegung der in der Markterkundung gewonnen Erkenntnisse durch bloße Verwertung in den Ausschreibungsunterlagen erfüllt das Transparenzgebot nicht. Dies auch dann nicht, wenn sich der Auftraggeber die Selektion der von der Verpflichtung zur Offenlegung umfassten Informationen vorbehält.
- Für die teilnehmenden Unternehmen muss nachvollziehbar sein, welche aus den Markterkundungsgesprächen gewonnenen Informationen die Ausschreibung beeinflusst haben und aus welcher Quelle sie stammen.
Worauf Auftraggeber achten müssen
Der VwGH schränkt zwar die Inhalte, die im Zuge eine Markterkundung ausgetauscht werden dürfen, nicht ein, dennoch sind Auftraggeber gut beraten, Markterkundungsgespräche nicht zu „Verhandlungsrunden“ insbesondere über Eignungs-, Auswahl- oder Zuschlagskriterien umzufunktionieren. Der Auftraggeber könnte sich sonst im Nachgang mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, die Kriterien seien auf einen bestimmten Bieter zugeschnitten. Um durch übereifrige Offenlegung von Gesprächsprotokollen nicht gleich ins nächste Fettnäpfchen zu treten, gilt es ebenso den Schutz etwaiger Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren. Mit einer einfachen Schwärzung des Firmenwortlauts im Protokoll ist es also nicht getan.
Auch wenn die Entscheidung des VwGH verschärfte Anforderungen im Hinblick auf das Transparenzgebot mit sich bringt, gilt: Miteinander sprechen ist nach wie vor erlaubt! Wir unterstützen Sie bei der Abwicklung einer rechtssicheren Markterkundung.