BVwG: Bereits eine einzige vom Auftraggeber übersehene technische Alternativlösung schließt ein Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung aus

Hohe Anforderungen an die Markterkundung (BVwG 8.5.2023, W279 2264894-2)
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Das BVergG lässt die Vergabe von Aufträgen im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zu, wenn aus technischen Gründen ein Wettbewerb nicht vorhanden ist oder der Auftrag aufgrund von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Unternehmer erbracht werden kann. Zudem darf keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung vorhanden und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Anforderungen des Vergabeverfahrens sein. In der Praxis wird gerne übersehen, dass die Anforderungen an dieses Ausnahmeverfahren außerordentlich hoch sind.

Der Sachverhalt

Der Sektorenauftraggeber wollte die Lieferung und Installation von Sprengstoffdetektionsgeräten samt Wartungsvertrag im Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung vergeben. Die technische Ausschließlichkeit wurde damit begründet, dass bloß ein Teil der vorhandenen Geräte auszutauschen ist und nur der Lieferant der bisherigen Geräte die neuen Geräte entsprechend den technischen Anforderungen in den Gesamtablauf und das Netzwerk einbinden kann. Die vor Zuschlagserteilung geschaltete ex-ante-Transparenzbekanntmachung wurde von zwei Unternehmen mittels Nachprüfungsanträgen bekämpft.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes

Das BVwG entschied, dass die vom Auftraggeber durchgeführte Markterkundung zur Abklärung des Vorliegens der technischen Ausschließlichkeit schon deshalb unzureichend war, weil der Auftraggeber bei keinem der beiden Antragsteller Nachfrage gehalten hat und im Verfahren dargelegt wurde, dass diese über technische Alternativlösungen verfügen.  Die vom Auftraggeber behaupteten unüberwindbaren technischen Schwierigkeiten konnten nicht nachgewiesen werden. Bereits eine einzelne technische Alternative reicht aus, um die Anwendung dieses Ausnahmeverfahrens auszuschließen.

Tipps für die Praxis

Vor Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung wegen technischer Ausschließlichkeit ist eine umfassende EU-weite Markterkundung erforderlich, die alle als Bieter in Frage kommenden Unternehmen und technischen Lösungen einschließt. Wenn nur eine einzige Alternativlösung übersehen wird, ist die Verfahrenswahl rechtswidrig. Der Aufwand einer derartigen Markterkundung geht regelmäßig über den Aufwand der Durchführung eines Vergabeverfahrens mit Bekanntmachung hinaus, sodass deren Zweckmäßigkeit in Frage gestellt ist.